Die Veränderungen in unserer Welt sind rasant. Gehen wir unter? Oder vielleicht doch nicht? – Teil 2

Nicht wenige haben bei diesen rasanten Veränderungen das Gefühl, unterzugehen. Sie möchten am liebsten die Bremse ziehen – aber es gibt keine Bremse. Im Gegenteil, wie im ersten Teil beschrieben scheint sogar ein Stein auf dem Gaspedal festgeklebt zu sein.

Wie gehen wir damit um?

Müssen wir jetzt Angst haben bei all den Veränderungen? Vor den vielen Konsequenzen, die auf uns zukommen könnten oder kommen werden?

Es ist sehr leicht, in dieser Unsicherheit Ängste zu schüren, und leider gibt es eine Menge Leute, die das auch tun. Natürlich hat jede neue Entdeckung und jede neue Möglichkeit ihre negativen Seiten. Die Erfindung des Küchenmessers hat schon zu einer Menge Morden geführt. Aber die Auswirkungen sind heute viel gravierender, werden Sie einwenden. Da haben Sie recht. Um so wichtiger ist, einen kühlen Kopf zu bewahren und weder in Panik zu geraten noch sich zu verstecken. Dazu möchte ich ein paar konstruktive Gedanken versuchen:

Zuerst: Wenn Sie sich überfordert fühlen und das Gefühl verspüren, dass Sie keinen Überblick mehr haben, dann dürfen Sie eins wissen: Sie sind vollkommen normal. Kein Mensch kann über alles, was in unserer Zeit neu entsteht, den Überblick behalten. Ich verbringe wirklich viel Zeit damit, die einschlägigen Informationsquellen zu lesen, um für meine Leser das Interessanteste herauszufischen. Trotzdem muss ich feststellen, ich komme nicht hinterher. Es ist einfach zu viel und es geht zu schnell. Und wie sich die einzelnen Entwicklungen dann tatsächlich auswirken und gegenseitig wieder verstärken, kann erst recht niemand abschätzen.

Also: Das Gefühl „Ich blicke nicht mehr durch“ ist vollkommen normal und gesund.

Daraus ergeben sich schon erste wichtige Hinweise auf den Umgang damit. Falls Sie jemandem begegnen, der behauptet, er hätte den Durchblick, lügt er Sie an. Auch derjenige ist nur ein Mensch mit begrenzter Fähigkeit, alles zu verstehen. Im besten Fall bildet er sich ein, die Lösung zu haben, im schlimmsten Fall will er Sie oder Ihre Stimme für sein Anliegen missbrauchen.

Dazu gehören auch die, die versprechen, den Stein vom Gaspedal zu nehmen, die einen Weg in die „Gute alte Zeit“ verheißen. Das ist diesseits und jenseits des Atlantiks zurzeit sehr prominent. Die allgemeine Verunsicherung macht es gewissen Parteien und Demagogen ja auch sehr leicht, Angst zu entfachen. Angst ist schon immer ein beliebtes Mittel gewesen, Menschen für eigene Ziele einzuspannen. „Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt!“ So hat man früher die Angst vor dem Fegefeuer genutzt, um Kasse zu machen. Die Themen haben sich geändert, die Technik ist die gleiche geblieben. Aber: Angst ist nie ein guter Ratgeber gewesen, weil er meistens nur den anderen hilft. Und: Wir müssen keine Angst haben, aber dazu später.

Einige Argumente: Erstens: Die Vorstellung der guten alten Zeit liegt nur an unserem mangelhaften Gedächtnis. Sie war gar nicht so gut. Opa und Oma vor fünfzig Jahren. Mit siebzig waren sie alt, hatten kaum noch Zähne und gingen am Stock. Heute mit achtundsiebzig: Heißt man Nancy Pelosi, sieht gut aus und tritt gerade als Vorsitzende des US-Senats an, um dem mächtigsten Mann der Welt Paroli zu bieten. In welcher Zeit wollen Sie leben?

Zweitens: Die rasenden Veränderungen beruhen auf einem weltweiten Prozess. Das heißt: Kein Land alleine, nicht Deutschland, aber auch nicht die USA oder die EU können diesen Prozess aufhalten. Und dass sich alle Nationen darauf einigen sollten, auf Fortschritt zu verzichten, darf man getrost ins Reich der Fantasie verbannen. Damit sind alle Vorstellungen, man könnte sich in unserem Land oder wo auch immer eine kleine Insel der Seligen schaffen oder den Prozess bremsen, genauso sinnvoll wie ein Maulwurf, der einen Hügel baut, um einen Bulldozer aufzuhalten. Solche Ideen und Versprechungen sind einfach nur verschwendete Zeit und Kraft.

Das war jetzt negativ. Geht es auch positiv?

Ja!

Dazu noch einmal einen Blick auf die Geschichte, die uns Menschen hervorgebracht hat.

Erstens: In der langen Geschichte des Lebens hat es schon immer Veränderungen gegeben. Vollkommen neu ist nur das Gefühl, die Sache nicht mehr im Griff zu haben. Dazu sollte man sich bewusst machen, dass Menschen ihre Geschichte und die Geschichte der Welt noch nie im Griff hatten. Aber sie hatten auch nicht den Anspruch, es zu haben. Dieser Anspruch ist neu, er ist eine Folge davon, dass man durch neue Erkenntnisse die Welt besser versteht und beherrscht, und dass man plötzlich denkt, man könnte das auch. Das ist ein Phänomen der letzten zwei Jahrhunderte, das inzwischen ins Bröckeln kommt.

So ähnlich geht es manchmal Studenten. Nach den ersten Semestern glaubt man selbstbewusst, enorm viel zu wissen. Aber je länger man studiert, erkennt man, wie wenig man wirklich weiß. In dem Sinn sind wir Menschen Studenten, die gerade die erste Erkenntnisphase hinter sich haben.

Zweitens lehrt uns die Geschichte, dass nicht die Stärksten überleben. Das ist ein geläufiger Irrtum. Die großen Saurier waren zweifellos stärker als die kleinen Säugetiere. Es haben die überlebt, die sich am besten an Veränderungen angepasst haben. Und sie haben nicht nur überlebt, sondern sich atemberaubend weiterentwickelt. Aufgepasst: Ich rede gerade von uns Menschen! Wir sind aus einem langen Veränderungsprozess hervorgegangen, weil wir uns hervorragend anpassen können. Warum sollte das plötzlich aufhören?

Damit sind wir beim nächsten Schritt: Der Hoffnung!

Nicht, weil sie zuletzt stirbt, sondern weil Hoffnung der Zwilling der Veränderung ist!

Versetzen Sie sich noch einmal in die veränderungslose Zeit des Mittelalters. Sie wussten mit großer Sicherheit, was auf Sie zukam. Wer armer Bauer war, blieb armer Bauer. Das nächste Kind, das man bekam, würde eher sterben als leben. Die Krankheit, die einen erwischt hat, wird einen auch umbringen. Hoffnung auf ein Medikament oder eine Operation mit Narkose gab es nicht. Es ist verständlich, dass die Menschen ihre Hoffnung auf das Heil im Himmel setzten, denn auf der Erde gab es keine Hoffnung.

Ohne Veränderung wären wir noch da. Wollen Sie das wirklich?

Ohne Veränderung gibt es keine Hoffnung, denn wie sollten wir hoffen, wenn wir wissen, dass sich nichts tut? Und dass nicht alles zum Schlechten wird, ist auch erwiesen. Sogar ohne dass die Menschen alles überblickt haben.

Und wie wird es werden?

Anders!

Erinnern Sie sich noch an die Zukunftsvisionen, mit denen man uns früher bedacht hat? Fantastische Fahr- und Flugzeuge, Weltraumstädte. Liest man heute Zukunftsprognosen von damals, kann man nur noch schmunzeln. Fast nichts davon ist eingetroffen. Dafür sind Sachen geschehen, die absolut niemand auf dem Schirm hatte. Zum Beispiel das Internet. Gerade diese nicht-prognostizierte Entwicklung hat unsere Welt enorm verändert. Wie immer gibt es dabei schwierige Seiten, aber wenn es überwiegend zum Fürchten wäre, würden nicht alle mit diesen kleinen Dingern herumlaufen, die ihnen den Zugang ins Internet bieten. Und außerdem könnten Sie ohne Internet diese Zeilen nicht lesen. Und meine Bücher auch nicht 🙂

Insgesamt gibt es also keinen Grund zu verzweifeln oder sich in einer vermeintlich sicheren Ecke zu vergraben. Vielmehr gibt es Grund zur Hoffnung. Und wenn uns etwas über den Kopf wächst – meine Güte, dann lassen wir es wachsen. Hauptsache, wir haben noch unseren Kopf. Und: Es kommt sowieso ganz anders.

Zum Schluss noch ein Zitat von Yuval Noah Harari. Er ist israelischer Historiker und Verfasser mehrerer Weltbestseller zur Geschichte der Menschheit, aus denen ich zahlreiche Informationen und Inspirationen für diesen Artikel bekommen habe.

Wenn Ihnen jemand die Welt beschreibt, wie sie Mitte des 21. Jahrhunderts aussehen wird, und es wie Science-Fiction klingt, dann ist es vermutlich falsch. Aber wenn Ihnen jemand die Welt Mitte des 21. Jahrhunderts beschreibt und es NICHT nach Science-Fiction klingt – dann ist es mit Sicherheit falsch.