Die Veränderungen in unserer Welt sind rasant. Gehen wir unter? Oder vielleicht doch nicht? – Teil 1

Selbst ein Fortschritt- und Science-Fiction-Freund wie ich staunt, wie schnell sich die Welt verändert. Immer wieder entdecke ich, dass das, was ich für Science-Fiction gehalten habe, schon in den Labors entwickelt oder sogar in der Praxis ausprobiert wird. Nicht wenigen Menschen macht diese Entwicklung Angst, aber – es wird noch schneller werden. Warum ist das so? Wie können wir damit umgehen?

Warum werden die Veränderungen noch schneller werden?

Dazu müssen wir einen kurzen Blick in die Geschichte werfen. Zwischen dem Jahr Null unserer Zeitrechnung und dem Jahr 1500 gab es kaum Veränderungen. Ein Bauer aus dem Jahr 900 hätte sich im Jahr 1200 relativ problemlos zurechtgefunden. Die Namen der Fürsten hatten sich geändert, einige Grenzen waren neu gezogen worden, aber seine Werkzeuge, seine Art zu leben und sein Glauben waren wie früher, und er konnte davon ausgehen, dass es bei seinen Enkeln immer noch genauso sein würde.

Stellen Sie sich jetzt vor, man würde einen Mann aus der Zeit des ersten Weltkriegs in unsere Gegenwart beamen. Das sind bloß einhundert Jahre. Er würde die Welt nicht wiedererkennen. Autos, Flugzeuge, Fernsehen, Computer, Raumfahrt, Roboter. Allein das für uns alltägliche Smartphone wäre für ihn reinste Magie oder das Produkt einer außerirdischen Zivilisation.

Wodurch kam diese Unveränderlichkeit der ersten eintausendfünfhundert Jahre? Vor dem Jahr Null war die Welt noch anders. Die Ägypter hatten hervorragende Architekten, die Griechen fantastische Mathematiker. Wer ist nicht von seinem Mathematiklehrer mit dem „Satz des Pythagoras“ gequält worden? Weniger bekannt ist, dass Pythagoras auch schon erkannt hat, dass unsere Erde eine Kugel sein muss, und Aristoteles hat etwas später vermutet, dass es im Süden der Kugel einen Eiskontinent gibt. Im 6. Jahrhundert vor Null! Man mag sich gar nicht vorstellen, wie unsere Menschheit heute dastünde, wenn Wissen und Können der alten Zeit ungehindert weitergewachsen wären.

Aber so ist es nicht geschehen. Es gab einen großen Einschnitt, durch den das Wissen nicht nur eingefroren, sondern verbannt wurde. Bis etwa Fünfzehnhundert war alles Wissen, Lehren und Lernen auf die Kirche konzentriert und dadurch von zwei Regeln bestimmt: 1. Gott hat die Welt geschaffen. 2. Gott hat uns in der Bibel alles gesagt, was wir über die Welt wissen müssen. Wer anderes geglaubt oder behauptet hat, …

Das bedeutete: Wenn man etwas wissen wollte, forschte man nicht in der Natur, sondern in der Bibel. Dadurch wurde die Erde wieder zur Scheibe. Natürlich wurde immer wieder mal etwas entdeckt, aber Entdeckungen und Forschung sind zwei grundsätzlich verschiedene Dinge. Sie können beim Spazierengehen vielleicht ein Goldnugget entdecken, aber damit sind sie noch kein Goldsucher. Dazu bräuchten Sie Ausrüstung, einen Plan und jede Menge Zeit. Ähnlich sind auch die Entdeckungen der alten Chinesen (z. B. Schießpulver) eben Entdeckungen, aber kein Ergebnis systematischer Forschung.

Die Veränderungen gehen los

Eintausendfünfhundert Jahre kaum Entwicklung, bis das Überraschende geschah: die Entdeckung Amerikas. Damit legte die Geschichte des Fortschritts und der Veränderung den ersten Gang ein. Der Grund ist nicht, dass Amerika so toll war (das wäre ein eigenes Thema), sondern dass niemand mit dieser Entdeckung gerechnet hatte. Man kannte drei Kontinente (Europa, Asien, Afrika) und war damit zufrieden, denn das waren genau die Kontinente, die auch in der Bibel genannt sind. Aber durch die Entdeckung Amerikas wurde klar: Wir wissen NICHT alles! Was natürlich die Frage aufwirft: Was wissen wir denn noch alles nicht?

Dazu kam die Erkenntnis – nicht unwesentlich –, neue Entdeckungen können uns reich machen. Diese Einsicht veränderte unsere Welt. Entdecker wurden losgeschickt, um neues Land zu finden. Natürlich in der Hoffnung auf Reichtümer und Macht, aber auch, um Wissen zu gewinnen. So ist Charles Darwin auf der HMS Beagle mitgereist und hat dabei die Fundamente der Evolutionslehre gelegt.

Die Erkenntnis, dass man durch systematisches Suchen (Forschen) Wissen gewinnen und auch Geld verdienen kann, hat die Menschen seitdem nicht mehr losgelassen.

Bis zum nächsten großen Schritt dauerte es dann nur noch 300 Jahre. Die Erkenntnisse vor allem in der Physik führten zur Dampfmaschine und der industriellen Revolution. Mit den daraus entstandenen technischen Geräten wurde die Basis für die Erforschung und den Einsatz der Elektrizität gelegt. Eine neue Stufe der Entwicklung. Aber – und das ist für die wachsende Veränderungsgeschwindigkeit wichtig – nicht als neuer Bereich, der für sich blieb (Glühbirne u. ä.). Die neue Entwicklung verband sich mit der alten Technik (zum Beispiel zu Elektromotoren) und katapultierte sie in eine andere Größenordnung.

Damit entstand wieder eine neue Basis, die neue Entdeckungen ermöglichte: Transistoren und Computer. Und wieder ist es so, dass die neue Technologie die alte auf eine neue Größenordnung hebt, die uns aktuell selbstfahrende Autos und Roboter beschert.

Mit jeder neuen Technologie wachsen die Möglichkeiten der Wissenschaftler, was die Entwicklung beschleunigt. Dazu kommt der geografische Aspekt. War in den letzten Jahrhunderten die Forschung auf die westliche Welt beschränkt, hat sie sich inzwischen auf die ganze Welt ausgeweitet. China wächst zur Wissenschaftsgroßmacht, andere Länder folgen. Waren zur Zeit der industriellen Revolution vielleicht 10.000 bis 100.000 Forscher und Ingenieure mit Weiterentwicklungen beschäftigt, sind es heute zehn bis einhundert Millionen. (Diese Zahlen sind mangels Quellen nur von mir geschätzt, aber die Dimension dürfte so falsch nicht sein.) Genauso sind die eingesetzten Mittel enorm angewachsen. Laut einer Studie des amerikanischen Instituts Battelle und des Fachmagazins R&D Mag betrugen die Forschungsausgaben von Regierungen und Unternehmen im Jahr 2013 1,5 Billionen Dollar!

Das Ergebnis ist logisch: Wenn so viele Menschen wie noch nie mit so vielen Möglichkeiten wie noch nie mit solch gigantischen Mitteln forschen – dann verändert sich auch viel. Und ganz sicher mehr als früher. Nebenbei: Was von diesen Leuten mit diesen Mitteln erforscht wird, kommt ja erst noch auf den Markt. Jedenfalls die grundlegenden Dinge, die für größere Veränderungen sorgen.

Wenn Ihnen bis hierhin der Kopf schwirrt, kann ich Sie trotzdem nicht trösten. Der erste Gang der Veränderungsgeschwindigkeit wurde mit der Entdeckung Amerikas eingelegt und führte zur industriellen Revolution. Der zweite Gang führte zur Elektrizität und der dritte zum Computer. Aber wir sind noch nicht fertig.

Computergestützte Forschung führte zu einem tieferen Verständnis der Biologie, unseres Gehirns und der Quantenphysik. „Führte“ ist eigentlich falsch, denn unsere Position ist eher so, dass wir die Tür geöffnet und gerade mal unseren Kopf in diese Welten gesteckt haben. Aber das reicht schon, damit einem schwindelig wird.

Sie kennen das Spiel bereits von früher: Die neuen Erkenntnisse verbünden sich mit den vorhandenen Technologien, um den nächsten Gang der Veränderungen einzulegen. Konkret: Künstliche Intelligenz und Quantencomputer. (Die Möglichkeiten, den Menschen selbst und das Gehirn zu „verbessern“, lasse ich jetzt außen vor, weil das Thema sonst zu umfangreich würde. Sie tragen nochmals zu einer Beschleunigung bei, aber das dauert noch ein paar Jahre.)

Künstliche Intelligenz ist allerdings schon in unseren Alltag eingezogen. Wer eine Alexa zu Hause hat oder sein Navi benutzt, ist damit in Kontakt. Wer ins Krankenhaus geht, hat meistens andere Sorgen, könnte aber dort Diagnosen erhalten, die eine KI einem Arzt empfohlen hat. KIs können nämlich jetzt schon vieles besser als Ärzte. (nebenbei: Ärzte müssen sich mehr Sorgen machen, durch zukünftige Entwicklungen ersetzt zu werden, als Krankenschwestern.)

Quantencomputer waren vor zehn Jahren noch eine Zukunftsfantasie von Wissenschaftler, aber kürzlich hat IBM angekündigt, dass der erste Quantencomputer bald das Labor verlassen wird – und damit unseren Alltag erreicht.

Und wieder das gleiche Spiel: die Verbindung und gegenseitige Verstärkung der Technologien. Künstliche Intelligenz und Quantencomputer sind für sich allein bereits so mächtig, dass uns die Fantasie fehlt, um uns die Konsequenzen auszumalen. Aber sie werden sich verbünden: KI ist gierig nach Rechenkapazität – und genau die bieten Quantencomputer in nie gekanntem Ausmaß. Und natürlich bestärkt das wieder bestehende Technologien …

Wenn man im Auto-Beispiel bleibt, wäre damit der vierte Gang erreicht. Der allererste Anfang des vierten Gangs, und jeder weiß, dass man danach noch eine ganze Menge Gas geben kann.

Tja. Und wer sagt denn, dass es nur diese vier Gänge gibt? Im Auto haben viele von uns fünf oder sogar sechs. Und in der Wissenschaft? Ich habe noch kein Wort verloren über programmierbare Materie, synthetische Biologie, Computer-Gehirn-Schnittstellen, und und und … Wenn Sie das in den Bereich der Science-Fiction einsortieren, liegen Sie falsch. Es sind Themen, die mit Milliardeneinsätzen von Labors auf der ganzen Welt vorangetrieben werden.

Fazit:

Es gibt nicht den allergeringsten Grund zu der Annahme, dass sich die Veränderungen unserer Welt verlangsamen werden. Es spricht im Gegenteil alles dafür, dass sich die Entwicklung weiter beschleunigt. Angesichts dessen fühlen sich nicht wenige Menschen überfordert und fragen sich: Wie gehen wir damit um?

Lesen Sie dazu den 2. Teil