Die zweitgrößte Gefahr Künstlicher Intelligenz (KI) (15. März 2016)

Bisher wurde Software von Menschen entwickelt; der Softwarecode, der die Programme ausmacht, war bekannt. Das bedeutet: Es gab immer einen Menschen, der mit seinem Finger auf einen Abschnitt des Programmcodes zeigen und sagen konnte: “Dieser Programmteil ist für diesen Teil des Ergebnisses verantwortlich.” Zum Beispiel für die Datenanalyse, die zur Wetterprognose “Starkregen” geführt hat. Jetzt hat es aber nur ein bisschen geregnet, worauf die Wissenschaftler hingehen konnten und diesen Programmteil anpassen. Diese Ära ist mit KI vorbei!

Bei AlphaGo (unserem aktuellen Beispiel für KI) kann niemand auf ein Stück Programmcode zeigen, das für einen genialen (oder katastrophalen) Zug verantwortlich war. Man staunt “das war genial”, weiß aber nicht, warum. Und kann weder etwas daran ändern noch daraus lernen.

Das bedeutet:

  1. Kontrollverlust. Wenn man nicht weiß, warum ein Programm zu einem guten oder schlechten Ergebnis kam, hat man die Kontrolle darüber abgegeben. Am Ende sieht man achselzuckend zu, staunt oder erschrickt. Ohne Kontrolle wird man manipulierbar. Nicht schön. Vielleicht könnte man diese Gefahr durch Sicherheitsmechanismen eindämmen – wenn nicht die zweite Konsequenz wäre:
  2. Wissensverlust. Nehmen wir an, eine KI wird zum Meister für Wetterprognosen. Dann freuen wir uns selbstverständlich über gute Vorhersagen. Aber wer bezahlt dann noch Menschen dafür? Wenn es die Software doch besser kann? Wer investiert seine Lebenszeit in ein Studium zur Erstellung von Klimamodellen, wenn einen niemand danach fragen wird, weil die Software bessere Antworten hat?

AlphaGo hat es innerhalb eines halben Jahres geschafft, von Amateurniveau auf Weltmeisterniveau aufzusteigen. Und sie kann sich im gleichen Tempo weiterentwickeln. So schnell kann kein Mensch lernen. Das bedeutet, dass die Menschen in den Bereichen, in denen man KI einsetzt, immer weiter ins Hintertreffen geraten – und den Wettlauf überhaupt aufgeben, weil man eh keine Chance hat.

Wer sagt: “Jobverlust durch neue Erfindungen hat es schon immer gegeben”, sollte eines bedenken: Es geht hier nicht um anstrengende Routinetätigkeiten, für die Industrieroboter eingesetzt werden. Es geht um Wissenschaft, die die Menschheit voranbringt.

Die Konsequenzen:

Wir verlieren Know-how. Zusammen mit einem Verlust der Kontrolle ist das echt schmerzlich. Da sich diese Entwicklung ganz logisch aus wirtschaftlichen Zwängen und dem ständigen weltweiten Wettbewerb ergibt, wird es nicht einfach sein, dieser Gefahr auszuweichen.

Heute beginnt eine neue Zeit! (12. März 2016)

Ja, ich meine diesen Satz ernst. Nein, es liegt nicht daran, dass ich jetzt mit einem Blog beginne. Den liest momentan außer mir sowieso noch niemand.

Warum beginnt eine neue Zeit? Weil AlphaGo Lee Sedol im Go besiegt hat.

Sie denken, ich spinne? Oder hebe ab? Dann lesen Sie mal weiter:

Go ist ein asiatisches Brettspiel. Auf den ersten Blick sind die Regeln trivial, aber im Endeffekt ist die Komplexität größer als beim Schach. Deshalb hatten Computer die Menschen beim Schach schon besiegt, beim Go aber noch nicht. Bisher.

Lee Sedol zählt als weltbester Go-Spieler, der sich auf einem Niveau befindet, das fast niemand erreichen kann.

AlphaGo ist eine Software von Google.

Das sind die Fakten. Was ist passiert und warum ist das so bedeutend? Fast niemand hat damit gerechnet, dass in unserer aktuellen Zeit ein Computer Go wirklich sehr gut beherrschen kann, denn Go bietet mehr Möglichkeiten, die Spielsteine zu platzieren, als es Atome im Universum gibt. Beim Schach hat man den Computer von IBM (er hieß “Deep Blue”) mit massenhaften Spielzügen von Schachpartien gefüttert, beim Go geht das in dieser Art nicht. AlphaGo hat eine Grundausstattung an Spielen vorgesetzt bekommen, mit denen die Software es auf Amateurniveau gebracht hat. Danach hat sie selbst weitergelernt – bis sie nach nur einem halben Jahr den Weltmeister besiegt hat. Dabei hat sie Spielzüge gemacht, die Experten als Fehler betrachtet haben. Anfangs. Jetzt sagen die Experten: “Solche Züge wären einem Menschen nie in den Sinn gekommen. Sie sind genial!”

Jetzt sind wir beim Besonderen: Eine Software lernt selbstständig, sie kommt weiter, als Menschen es ihr beibringen können, sie kommt auf Lösungen, die so genial sind, dass kein Mensch auf diese Idee gekommen wäre. Das ist in dieser Woche passiert. Im März 2016.

Go ist nur eine Spielerei. Und dass eine Software dafür sorgt, dass man Go jetzt anders spielen muss, als es die Meister seit Tausenden von Jahren tun, scheint nicht weiter tragisch. Aber es wird nicht beim Go bleiben. Und auch nicht bei Spielen. Ab dieser Woche wird es ständig mehr Bereiche geben, in denen eine Software, die selbstständig lernen kann, die Menschen überflügelt. Ob dabei Ergebnisse herauskommen, über die man sagt: “genial” oder “teuflisch”, steht auf einem anderen Blatt. Auf jeden Fall wird die Welt nicht mehr so sein, wie sie es einmal war. Diese Zukunft beginnt – jetzt!

Mehr darüber gibt es z. B. hier.